Warum so nervös, Frau Minister ?
Neulich hatte die Erziehungsministerin eine Abordnung der drei Gewerkschaften APESS, FEDUSE und SEW zu einer Unterredung empfangen. Die Professoren bemängeln in der Tat mehrere wichtige Artikel des von der Regierung am 29. Januar hinterlegten Gesetzesvorschlags «portant organisation des lycées et lycées techniques». Vor allem der Artikel 32, der die Befugnisse und den Aufgabenbereich der «Comités des professeurs» regeln soll, müsste aus ihrer Sicht überarbeitet werden.
So unterbreiteten die unterzeichneten Syndikate der Ministerin drei präzise Forderungen, die jedoch allesamt in mehr oder weniger schroffer Form abgelehnt wurden:
1) Ähnlich wie bei den Schülerkomitees sollte eine Großherzogliche Verordnung bestimmte Regeln und Leitlinien festlegen, die garantieren, dass an den Lehranstalten ein Mindestmaß an gemeinsamen Verfahrensweisen beachtet würden, wie zum Beispiel: wer darf wählen, wann wird gewählt, wer organisiert und überwacht die Wahlprozedur, wie lange dauert ein Mandat, ....
Das Ministerium will von einer solchen Verordnung nichts wissen, weil die Professoren «mündig» seien und demnach jedes Lehrerkollegium seine eigenen Spielregeln aufstellen solle.
Mit dem gleichen Argument kann man natürlich getrost auf ein einheitliches kommunales Wahlrecht verzichten und überhaupt jede «mündige» staatliche Körperschaft nach eigenem Gutdünken schalten und walten lassen !
2) Die Gesetzesvorlage sieht vor, dass die Direktion das «Comité des Professeurs» mindestens zweimal im Jahr «vorladen» («convoquer»). kann. Tut sie es eben nur zweimal, so kann ihr niemand einen Vorwurf machen; immerhin wäre das Rechtens. Nun gibt es aber Probleme, über die man kurzfristig die Köpfe zusammenstecken muss, so dass sowohl die allermeisten Direktoren als auch die Professoren der Auffassung sind, ein gewisses Initiativrecht stehe auch den Personalvertretungen zu.
Auch das sieht man im Ministerium anders: der Direktor sei schließlich der «Chef hiérarchique» (was niemand bestreitet); auch stehe eine solche Forderung im Gegensatz zum Beamtenstatut (?). Nicht zuletzt müsse man die Schüler bedauern, die ein Lyzeum besuchten, in dem sich die einzelnen «Partner» auf Paragrafen beriefen, um miteinander ins Gespräch zu kommen.
Konflikte zwischen einer Direktion und der Lehrergemeinschaft sind bis heute eher rar gewesen und man kann natürlich hoffen, dass dies in Zukunft auch so bleiben wird. Trotzdem sollte man nicht so tun, als ob wir im Zusammenleben ohne Regelungen auskommen könnten, frei nach dem Motto: was nicht sein darf, ist eben nicht, bzw. die von der Regierung bestellte Obrigkeit ist immer im Recht und die entmündigten Staatsdiener haben gefälligst zu gehorchen !
Besonders im Rahmen der erweiterten Befugnisse der Direktionen in Bezug auf die Ausrichtung und Verwaltung der postprimären Schulen, wie sie im neuen Gesetz verankert werden sollen, ist es angebracht, die Lehrergemeinschaft in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen und zu verhindern, dass eine Direktion auf stur schaltet. Gerade deshalb brauchen wir rechtsstaatliche Mechanismen, die verhindern helfen, dass eine Situation eskaliert oder die Rechte der einen Seite mit Füßen getreten werden.
3) Die drei Gewerkschaften forderten schließlich noch, dass es den «Comités des Professeurs» möglich gemacht werden müsse, ihre in einem autonomen Lyzeum neuen und erweiterten Aufgaben zu erfüllen. Sie verlangten deshalb konkrete Mittel ( Infrastruktur und eine entsprechende Freistellung), so wie dies andernorts üblich ist.
Diese Forderung überstieg nun definitiv die Vorstellungskraft der anderen Seite, die immer noch davon auszugehen scheint, dass derjenige, der mehr tut als seine Pflicht, sich nicht als der Dumme vorkommen darf, sondern als derjenige, der sich geehrt fühlen muss. Was sei das bloß für eine Schule, in der alle nur daran dächten, möglichst wenig zu unterrichten !
Diese Unterstellung an die Adresse von Leuten, von denen das Ministerium eigentlich wissen müsste, wieviel Zeit und Muße sie seit Jahrzehnten in das Schulwesen investieren, war nun doch ein starkes Stück. Zu hoffen bleibt, dass es nur ein Lapsus war, ansonsten einem angst und bange werden müsste für die Zukunft des luxemburgischen Unterrichtswesens !
Luxemburg, den 31 März 2003
APESS FEDUSE SEW