Die Chancen eines Paradigmenwechsels nutzen!

06.01.2004

Nach dem Desaster der PISA-Studie wurde vor allem in unseren Nachbarländern die Frage nach der Qualität der öffentlichen Bildung gestellt. Angesichts einer sich immer verschärfenden Konkurrenzsituation auf dem internationalen Arbeitsmarkt und der sich stetig steigernden Ansprüche der Gesellschaft an die Schule, darf man sich in Luxemburg dieser Debatte nicht verschließen. In der Tat haben unsere Nachbarländer nach dem PISA-Schock reagiert und ihr Bildungssystem und deren Anforderungen und Ziele einer eingehenden Analyse unterzogen. Dabei wurden alle Schulpartner und die Wirtschaft aktiv in diesen Prozess eingebunden. Leider haben wir in Luxemburg diese Chance vertan und in vielen Köpfen scheint die Mähr von der guten Luxemburger Schule unerschütterlich und unauslöschlich (oder man tut nur so, weil alternative Konzepte fehlen).

Der Bildungsstand der Bevölkerung ist heute ein wesentlicher Aktivposten im internationalen Konkurrenzkampf. Die Verbesserung des Bildungsstands der Bevölkerung hat laut Forschungen der OECD einen großen Einfluss auf die Arbeitsproduktivität. In einer Ökonomisierung der Bildung läuft der Mensch Gefahr auf eine Humanressource auf dem Kapitalmarkt reduziert zu werden. In Zeiten der Globalisierung muss eine Gesellschaft diesen Kräften und Einflüssen einfach Rechnung tragen und darauf achten, dass die Schule sich nicht nur in den Dienst der Wirtschaft stellt, sondern auch die von seiner Gesellschaft definierten humanen und sozialen Werte vermittelt.

Die Anzahl der Akademiker ist als Indikator für die Effizienz des Bildungssystems zu betrachten. Dabei gibt es im internationalen Vergleich "Import-" und "Exportländer" von Akademikern, wobei Luxemburg traditionell zu ersteren gehört. Die Frage stellt sich, wie wir mittel- und langfristig unseren Bedarf an Fachkräften decken sollen. Es bleiben nur zwei Möglichkeiten: die eigene Bevölkerung qualifizieren oder Akademiker und Fachkräfte weiter importieren. Seit langen Jahren kommen viele unserer Fach- und Führungskräfte aus dem Ausland. In unmittelbarer Zukunft wird die Sicherung des sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalts zur zentralen gesellschafts- und bildungspolitischen Frage.

Eine Debatte über Qualität in der Bildung darf zum jetzigen Zeitpunkt, nach einer verpassten und gescheiterten Chance zu einer Reform, auf keinen Fall zu einem billigen politischen Ablenkungsmanöver missbraucht werden.

Nach PISA wurde eine lange Periode bei uns ungenutzt verstreichen lassen. Der dadurch entstandene Zeitdruck darf nicht in Vorwahlzeiten zu billigen bildungspolitischen Aktivismus führen. Das neue Schulgesetz, das von allen Schulpartnern in scharfer Form kritisiert wurde und von uns nicht akzeptiert werden kann, ist ein fataler Schritt in die falsche Richtung.

Die Prüfung der Bildungsqualität hat als oberstes Ziel die Verbesserung der Bildungsqualität. Diese an sich logische Aussage scheint nur auf den ersten Blick trivial, hat aber außerordentliche Auswirkungen auf unser ganzes Schulsystem. Förderung und Überprüfung der Bildungsqualität darf auf keinen Fall eine Verstärkung oder Verschärfung der Selektivität unserer Schule zur Folge haben.

"Welche Unterstützungsmechanismen will oder kann ich schaffen?", ist die zentrale Frage, die sich Schule und Politik vor einer Qualitätsprüfung stellen müssen, sonst ist Kontrolle überflüssig. Ein gesellschaftlicher Konsens über die Bildungsziele ist unabdingbare Voraussetzung für Qualitätssicherung. Ein solcher Konsens kann nur durch lange öffentliche und transparente Diskussionen und Anstöße zum Umdenken erreicht werden, damit eine Akzeptanz bei allen Schulpartnern vorhanden ist. Eine Bildungsreform, wenn sie nicht unwirksam verpuffen oder kläglich scheitern will, kann nur über diesen langen Prozess initiiert werden.
Die Bildungspolitik muss sich kontroversen und tabufrei geführten Diskussionen in diesem Kontext unbedingt stellen. In unserer bürokratischen Schulform werden Schulprobleme durch Sitzen bleiben auf die Schüler abgeschoben. Die Schüler scheitern im System. Die Schule und Lehrer sollen, dürfen und stellen sich nicht in Frage. Eine Schule, deren Grundfeste auf Selektivität und Sanktionierung von Fehlern beruhen, darf sich auch keine Blöße geben, da sie sonst nicht mehr funktionieren kann.

Es bleibt also bei der bekannten Aussage des Lehrers: " Dieser Schüler passt nicht in "meine" Schulform." Dadurch wird die Eigenverantwortung des Schülers abgeschafft. Aber auch der Lehrer ist der Eigenverantwortung enthoben. Er bleibt Vertreter des Schulsystems und reduziert sich auf das Rädchen, das die Anweisungen, Gesetze und Reglemente von oben befolgt und in die Praxis umsetzt. Es entsteht eine Industrie, die Schüler auf Tests vorbereiten will. In solchen "Büffelschulen" kommt es zu einer Verarmung in kulturellen, kreativen Fächern. Welche Auswirkungen hat nun eine Bildungsqualitätsdebatte auf die Schulwirklichkeit? Die Sicht der Gesellschaft auf die Schule ist geprägt durch den Umstand, dass wir alle diese Schule, mit mehr oder weniger Erfolg, mit mehr oder weniger Schwierigkeiten, überlebt haben und in dieser Zeit ihr System verinnerlicht haben, wobei meistens jene als politische Entscheidungsträger und als Lehrer amten, die sich im System am besten und leichtesten zurecht gefunden haben.

Die Kontrolle der Bildungsqualität führt zu einem Paradigmenwechsel. Das Bildungssystems wird nicht mehr über den Input, sondern über den Output gesteuert. Unser luxemburgisches Bildungssystem wird seit jeher über den Input gesteuert. Die politischen Entscheidungsträger organisieren, gestalten und überwachen die Schule durch ausgefeilte und äußerst detaillierte Lehrpläne und Schulprogramme, die zugleich die Methodenauswahl und die Lehrmittel vorschreiben, und vor allem über die Ausbildung der Lehrer. Durch dieses rigide Top-down-System will man die Lernprozesse in der Schule möglichst genau gestalten und überwachen. Leider hat die Auswertung der PISA-Studie ergeben, dass insbesondere Länder, die sich auf die Kontrolle des Inputs in der Schule beschränken und die Eigenverantwortung der Schulen und Lehrer auf ein Minimum beschränken, die schlechtesten Ergebnisse aufzuzeigen haben.

Die Diskussion der Bildungsqualität bewegt sich in Richtung einer Kontrolle des Outputs, d.h. man bewertet die Leistungen der Schüler und damit auch die Qualität des Unterrichts und die Effizienz der Bildungspolitik. Die Institution Schule und die Bildungspolitik müssen sich daher stets in Frage stellen.

Qualitätskontrolle hat eine Orientierungsfunktion und darf auf keinen Fall zu einem weiteren Selektionskriterium der Schüler missbraucht und umgedeutet werden. Oberstes Ziel bleibt die Unterstützung und Förderung von Schule, Lehrer und Schülern. Es darf kein Ranking der Schulen oder Lehrer vorgenommen werden, das zum Diskreditieren von einzelnen Schulstandorten oder Lehrern in der Öffentlichkeit führt. Die Resultate einer Qualitätskontrolle sind immer nur ein Instrument zur Verbesserung der Schule. In diesem Sinne dürfen die Ergebnisse der Qualitätsprüfungen in den Schulen intern als Feedback veröffentlicht, aber nicht ganz publik gemacht werden.

Qualität in der Schule bedeutet Bildungschancen verbessern. Es soll nicht dazu verführen, Curriculum und Lernziele neu zu verpacken und über standardisierte Tests in verschiedenen Schulstufen zu kontrollieren. Bildungsqualität soll nicht zu einer Normierung der Schüler, sondern zu einer Bewertung des Bildungssystems gebraucht werden.

Als abschreckendes Beispiel in diesem Sinne müssen die standardisierten Tests im 6. Schuljahr angesehen werden. Dieser Abschlusstest wird zum einzigen Zeitpunkt durchgeführt, wo der Lehrer dem Schüler nicht mehr helfen kann. Der Test dient also einzig und allein der Selektion und bietet keine Möglichkeit dem Schüler durch gezielte pädagogische Maßnahmen zu helfen. Bei der Definition der zu erreichenden Bildungsziele wird der Weg nicht an neuen Kontroversen vorbeiführen. Es wird sich die Frage stellen, ob die Schule sich Mindeststandards oder Regelstandards geben soll. Ohne auf den Grund dieser Frage gehen zu wollen, sei an dieser Stelle nur festgehalten, dass Minimalziele regressiv wirken und besonders gerne als Selektionskriterien benutzt werden.

Qualitätsverbesserung sollte nicht verwechselt werden mit Gleichmacherei von Schülern. Es sollten nicht wieder neue Normen definiert werden, die in einer bestimmten Zeit von Schülern einer bestimmten Altersklasse erreicht und erfüllt werden müssen. Die Schule muss Talente erkennen und fördern und zugleich Defizite erkennen und beheben. Die Kinder haben das Recht ihre Lernprozesse in individuellen Rhythmen zu gestalten. Nicht einer Altersnorm zu entsprechen darf nicht dazu führen, von der Schule negativ bewertet und als Störenfriede empfunden zu werden. Die Schule muss Vielfältigkeit erkennen und unterstützen. Diese Maxime finden wir in Schweden und in Kanada, das sich als traditionelles Einwandererland sieht. Wir benötigen einen konstruktiven Umgang mit Heterogenität, was wiederum bedeutet, dass der Lehrer eine systematische Rückmeldung braucht. Dieses Feedback darf aber auf keinen Fall "angstbesetzt" sein. Es geht nicht darum den Lehrer zu verurteilen, aber er braucht die nötige pädagogische Hilfe, die sich qualitätsverbessernd auf seine Unterrichtsgestaltung auswirken kann und soll. Diese Hilfe kann durchaus von den Kollegen kommen. Ein autonomes pädagogisches Team übernimmt die Verantwortung für die eigene Unterrichtswirklichkeit an seiner Schule. Diese Kompetenzen des Umgangs mit Heterogenität müssen schon in der Lehrerausbildung vermittelt werden; man vergleiche dieses Konzept mit der doch primitiven Tradition unserer Lehrerausbildung, die sich leider noch zu oft darauf beschränkt Rezepte zu verabreichen. Die Sicherung der Bildungsqualität fußt auf grundlegenden Voraussetzungen: eine sorgfältige Analyse unseres Bildungssystems sowie der realen Unterrichtsbedingungen an unseren Schulen, wie sie von Lehrern und Schülern empfunden und erlebt werden, eine tabufreie Diskussion aller Schulpartner und eine langfristige Planung, die über kurzfristige demagogische Reformansätze in Wahlkampfzeiten hinausgeht.

Ein solcher Paradigmenwechsel kann nur erfolgen, wenn die Anerkennung von Schule und Lehrer in der Öffentlichkeit gesichert ist. Die Glaubwürdigkeit der Schule und der Politik ist die Basis der Verbesserung der Bildung. Ansprüche an die Schule müssen so transparent gestaltet werden, dass Lehrer und Schüler sie verstehen.

Eltern, Lehrer und Schüler setzen sich zusammen um die Leistungen der Schüler zu bewerten und suchen nach Möglichkeiten der Verbesserung. Schule und Lehrer sind zur Kooperation verpflichtet. Die Suche nach Defiziten wird genutzt um diese zu beheben und dient nicht als Selektionskriterium. Ein gerechtes Vergleichen von Schulnoten ist klassen- und schulübergreifend in unserem veralteten System nicht möglich. Das Beispiel Skandinaviens hat gezeigt, dass das System der Eigenverantwortung der Lehrerinnen und Lehrer und insbesondere auch der Schüler zu geringeren Leistungsunterschieden bei den Schülern führt, auch das übergreifend auf die verschiedenen Schultypen. Behalten wir immer vor Augen, dass die Verantwortung der Lernprozesse der Schüler bei der Schule und den Lehrern liegt. Ein "schlechter" Schüler deutet auf die Ineffizienz des Systems hin.

Natürlich wird in unserem Selbstverständnis keine Schule ohne externe Evaluation der Schüler auskommen. Sie sollte allerdings nicht an die Schnittpunkte gesetzt werden, wo in der Schule Selektionen vorgenommen werden, damit die Evaluation nicht als Selektionskriterium genutzt werden kann. Die Evaluation ist kein Instrument der öffentlichen Bloßstellung von Bildungseinrichtungen und Lehrern oder gar Schülern.

Die Bildungsziele müssen vorab definiert werden. Was soll die Bildung leisten? Wo sollen die Schule und die Gesellschaft kurz-, mittel- und langfristig stehen? Wir brauchen strategische Perspektiven. Ein gutes, effizientes und gerechtes Bildungssystem zeichnet sich durch zwei Faktoren aus: eine gute Gesamtleistung und soziale Gerechtigkeit, d.h. mit einen minimalen Einfluss des sozialen Hintergrunds der Schüler. Diese soziale Gerechtigkeit ist vor allem wichtig in einem Land, das durch einen sehr hohen Anteil Kinder mit einer fremden Muttersprache gekennzeichnet ist.

Bei der Definition der Bildungsziele muss wiederum in Betracht gezogen werden, dass empirisch bewiesen wurde: je niedriger die Schwelle angelegt wird, umso mehr wird soziale Ungerechtigkeit gefördert.

Bildungsziele bestehen nicht aus Fachwissen, das reproduziert werden kann. In einer Zeit, in der Wissen immer komplexer wird und immer schneller veraltet, sind vor allem Fähigkeiten zum Selbstlernen, soziale Kompetenzen und Entwicklung der individuellen Persönlichkeit gefragt. Alles kann man nicht messen, trotzdem darf die Schule sich nicht auf Messbares beschränken. Ein internationaler Vergleich scheint in diesem Zusammenhang sehr nützlich. Welches sind die Gemeinsamkeiten der PISA Gewinner? Wir finden klar formulierte Erwartungen an die Schule:
- Welche Resultate erwarte ich kurzfristig oder in zehn Jahren?
- Wo soll die Schule und die Gesellschaft dann stehen?
- Welches Kompetenzprofil erwarte ich von den Schülern?
Die Bildungssysteme bieten Unterstützung für die Schüler, aber auch für Schulen und stellen sich dabei stetig in Frage. Die Evaluationsmechanismen sind im System verankert. Sie geben
Rechenschaft und Rückmeldung an die Schulen und an die Lehrer.
Dieses Feedback wird als fair angesehen. Es besteht kein Ranking der Lehrer oder Schulen. Schulen mit Schülern die unterdurchschnittliche Leistungen aufzeigen oder wo Defizite erkannt wurden, können mit zusätzlicher Unterstützung rechnen. Defizite sollen früh erkannt werden und dem Rhythmus der Schüler entsprechend aufgearbeitet werden. Das Feedback in den skandinavischen Ländern ist also nicht angstbesetzt für Lehrer und Schüler, sondern wird als Hilfsinstrument anerkannt. In Finnland hat es dazu geführt, dass es kaum Unterschiede im Erfolg der Schulen gibt und auch keine erheblichen Leistungsunterschiede zwischen Schülern. Man muss zumindest zugeben, dass diese Tatsachen unser Vorstellungsvermögen sprengen könnten.
Die Kontrolle der Bildung in England, über standardisierte Tests, wird als Instrument zum Ranking der Schulen genutzt. Dabei werden besonders Schulen in sozialschwachen Gegenden in Misskredit gebracht und von den "reicheren" Schülern gemieden. Die Kontrolle führt zur "Bestrafung" der Schulen, denen nach den "schlechten" Ergebnissen ihrer Schüler eine Frist gesetzt wird, um "Erfolge" aufzeigen zu können, ansonsten die finanziellen Mittel gekürzt werden (!). Die größte englische Lehrergewerkschaft NUT hat sich deshalb entschlossen die standardisierten Tests in England dieses Jahr zu boykottieren, da sie den Unterricht auf ein "Learning to the test" reduzieren. Die Qualitätskontrolle der Bildung über den Output bringt einen Paradigmenwechsel. Wir erhalten ein autonomes System Schule, in der die Verantwortung für die eigene Schule und das eigene Unterrichtsgeschehen bei dem Lehrerteam liegt. Sie sind als gut ausgebildete Fachleute für das Gestalten der Lernprozesse zuständig. Unterricht wird nicht mehr definiert über Lehren, das durch top-down verordnete Methoden gekennzeichnet wird, sondern der Lehrer passt die Gestaltung des Unterrichts den Lernprozessen seiner Schüler an.

Das Inspektorat, in seiner Rolle als Kontrollorgan der Schulen und Lehrer, verliert seine Daseinsberechtigung. Die Schulen brauchen einen Coach oder "Manager" der die "Ressourcen" der "Spezialisten", der Lehrer, im Rahmen der vorgegebenen Sachzwänge organisiert und managt. Eine Motivierung durch Zwang, wie sie Frau Brasseur vorschwebt, führt zwangsläufig zu einer inneren Kündigung der Lehrer. Nach dem Verlust der Verantwortung und der Selbstachtung werden Lehrer zu Verwaltern, die lediglich Anweisungen ausführen, jegliche persönlichen Initiativen aufgeben und peinlichst versuchen werden Fehler zu vermeiden, die zu Sanktionen führen könnten.

Die Selektivität unserer Schule ist ein entscheidendes Hindernis dieses notwendigen Umdenkens. Schüler und Eltern können in diesem System nicht als Partner mitarbeiten, da sie ständig von den Selektionskriterien der Schule "bedroht" werden. Sie müssen sich unterordnen und der Schule unterwerfen, da dieses selektive Bildungssystem, das "Fehler" sanktioniert und nicht als notwendige Schritte zum Lernerfolg sieht, seine Autorität verlieren würde. Wir brauchen also eine Umsteuerung von einem selektivem auf ein förderndes Schulsystem Qualitätskontrolle versteht sich als Systemmonitoring und nicht als individuelle Selektion. Ein Vermengen des Testens von Schüler und vom System führt zu "Teaching to the Test". Die Qualitätskontrolle muss also eindeutig in seiner Zielsetzung definiert werden.

Wie erreiche man die Verbesserung der Qualität der Bildung? Die erste Aufgabe des Bildungssystems lautet: "Was können wir tun?" Lehrer, Schule und Politik sind gefordert. Schule und Lehrer werden zur Kooperation verpflichtet. Das steht in einem krassen Gegensatz zum "administrateur d'école", wie wir ihn in dem neuen Schulgesetz finden. Die Schule braucht keine administrative Verwaltung. Die Botschaft des neuen Textes ist leider überdeutlich: administrative Arbeit, im Gegensatz zum Unterrichten, wird mit 30 zusätzlichen Punkten "belohnt". Demotivierender könnte ein Gesetzestext sich auf engagierte Lehrer wohl nicht auswirken. Alles wird reguliert, der Gestaltungsspielraum der Lehrer immer weiter eingeengt.

Lehrer brauchen, im Gegensatz zu unsern luxemburgischen Perspektiven, einen hohen Grad an Verantwortung, d.h. die Gestaltung der Unterrichtswirklichkeit liegt in den Händen des Lehrers, die er als gut ausgebildeter, pädagogischer Spezialist selbst verantwortet. Auf den deutschen Universitäten wird hier ein Umdenken der Schulorganisationen gefördert und gefordert. Es handelt sich nicht um neue Strategien, diese Konzepte findet man schon im Konstruktivismus. In Amerika wurden die Ideen des Konstruktivismus zum "constructionism“ ausgebaut und fließen in die Unterrichtsgestaltung und die Organisation des schulischen Umfelds ein.

Die Verantwortung für Umsetzung in der Schule liegt beim Lehrer. Eine kluge Führung weiß:
- Menschen machen sich immer eigene Gedanken
- haben ihren eigenen Kopf
- wollen sich einbringen um einen Beitrag zur Lösung von Problemen zu leisten
Nur Mitarbeiter verfügen über die Detailkenntnisse und das Kontextwissen, das nötig ist, um die Hürden an den Schulen zu bewältigen. Die Lehrer sind die eigentlichen Experten ihrer Probleme. Die zunehmende Komplexität organisatorischer Abläufe kann nur erfolgreich gestaltet werden, wenn die unmittelbar
Beteiligten vor Ort zur Selbstführung fähig sind.
Unser Bildungssystem muss "Wissen" vernetzt benutzen: Schüler und Lehrer werden zu Kooperation und Vernetzung geführt. Sie nutzen die vorhandenen Ressourcen in einer vernetzten Form und arbeiten in Teams zusammen. In der "IST"-Situation sind die Lehrer leider nur Ausführende von Instruktionen detailliertester Art, aber sie bringen sich nicht ein.

Es kommt also zu einem wissensbasierten Arbeiten, in einem gemeinsamen Nutzen von Wissen, im Gegensatz zu einer zentralen Regulierung und Standardisierung. Machen wir uns nichts vor; diese erstrebte Normierung der Schüler und ihrer Lernprozesse ist durch den heterogenen sozio-ökonomischen Hintergrund der Schüler sowieso nicht möglich.

Kann man frühe Selektion und individuelle Förderung kombinieren? Wir haben scheinbar die "Hoffnung" durch Druck und Sanktionierung die Schüler zu besseren "Leistungen" anzuspornen. Es scheint, als ob das System "schlechte" Schüler bräuchte, um seine Dreigliedrigkeit zu erhalten. Das Scheitern einiger, vieler Schüler ist also schon im System verankert. Hat nicht der Lehrer im 6. Schuljahr die Schüler in 3 Gruppen aufzuteilen und in die verschiedenen Schultypen zu orientieren? Die Schule muss sich in ein förderndes System umwandeln.

Machen wir uns nichts vor. Der Abbau von Regulierungssystemen muss von Schulen und Lehrern gefordert werden: Lehrer brauchen Willen zur Kooperation, Selbstbewusstsein und eine gute Ausbildung. Das führt automatisch zur Anerkennung und Unterstützung in der Bevölkerung. Nach einem Konsens über den Paradigmenwechsel muss er in die Praxis gebracht werden.

Die Diskussion über die Qualität der Bildung muss als Chance zu einer grundlegenden Schulreform genutzt werden.