Die Ruhe vor dem Sturm?!

25.02.2020


Die Ruhe vor dem Sturm?



patrick_arendt.jpgVertreter des SEW/OGBL werden manchmal von Außenstehenden des Bildungswesens gefragt, ob sich für die vielen Probleme der Luxemburger Schule denn nun eine Lösung gefunden hätte. Es wäre erstaunlich still an der Gewerkschaftsfront und auch die Presse würde nur sporadisch berichten. In der Tat scheint es in den Schulen ruhiger geworden zu sein, aber der Schein trügt: unter der Oberfläche brodelt es. Nach außen hat der Bildungsminister alle seine internen Kritiker zum Schweigen gebracht. Lehrern wurde und wird mit strengen Disziplinarmaßnahmen gedroht, damit sie sich auf keinen Fall unautorisiert vor der Presse zu äußern. Gewerkschaftsvertreter werden nur empfangen, wenn sie im Vorfeld den geplanten Reformen zustimmen und das auch nur nach der Vorstellung der geplanten Änderungen vor der Presse.

Zusätzlich wurde der ganze hierarchische Apparat gleichgeschaltet. Innerhalb des Ministeriums sind keine alternativen Vorschläge und keine Kritik erwünscht. Es gibt keine kontradiktorischen Diskussionen. Direktoren und Experten folgen im Einklang der vorgegebenen Linie. Einen Dialog mit der Basis, mit dem Lehrpersonal in den Klassensälen gibt es nicht.


Vermutlich konnten viele Mitglieder des Lehrerkollegiums sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als sie in der Presse lasen oder hörten, dass der Minister den neugewählten nationalen Elternvertretern der Grundschulen versprochen hat, dass er auf ihre Stimme genauso hören werde wie auf die der Lehrerinnen und Lehrer.

Kaum erstaunlich, dass der Minister nicht auf den nationalen Bildungsbericht reagiert hat. Viele Resultate sind erschreckend und müssten eigentlich bei allen Betroffenen und besonders im Bildungsministerium alle Alarmglocken schrillen lassen. Zwei Erkenntnisse sind vor allen hervor zu streichen:

  • Schulischer Erfolg oder Misserfolg werden bestimmt (und das in einem zunehmendem Maße) durch dem sozioökonomische Kontext der Kinder;
  • Am Anfang des 3. Schuljahres (nach Abschluss des Cycle 2) haben mehr als ein Drittel der Kinder das „Niveau socle“ in Schreib- und Lesekompetenzen nicht erreicht und erfüllen damit nicht die Voraussetzungen den schulischen Erfordernissen in dem Cycle 3 gerecht zu werden. Sie haben zudem kaum eine Chance diesen Rückstand in den nächsten nJahren wieder aufzuholen.

Nichts deutet daraufhin, dass diese wissenschaftlich abgesicherten Resultate beim Minister ein kritisches Infragestellen seiner verfehlten Bildungspolitik bewirken könnten.

Am letzten Schultag des Kalenderjahres 2019 verkündete der Minister die frohe Botschaft, dass er vorhat das Einstellen von Quereinsteigern, das nach dem Eingreifen des SEW/OGBL auf fünf Jahre begrenzt wurde, unbefristet weiter führen zu wollen. Er rechnete damit, dass bei Beginn der Weihnachtsferien die Gewerkschaften nicht darauf reagieren könnten oder eine Reaktion im Trubel der Feiertage untergehen würde. Die Botschaft ist nichtsdestotrotz bei den Lehrerinnen und Lehrern angekommen.

Dieses Vorgehen ist konsequent, da das Ministerium keine einzige Maßnahme zur Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs ergriffen hat. Die Reaktion auf die in der Umfrage des SEW/OGBL aufgezeigten mannigfaltigen Problemfelder in unseren Schulen war gleich null. Dabei wird das Zurückgreifen auf Quereinsteiger bei einem überraschend auftretenden Mangel an Lehrkräften kurzfristig als Lösung alternativlos erscheinen. Bleibt diese Notlösung allerdings unbefristet bestehen, wird dadurch die Grundausbildung der Lehrerinnen und Lehrer entwertet. Viele Abiturienten, die sich für den Beruf interessieren werden nach einen vermeintlich leichteren Studiengang suchen.

Es wird allerdings immer klarer, dass der Lehrermangel wenn nicht provoziert, so doch nur ein Vorwand ist, um den Zugang zum Beruf über die sogenannten Quereinsteiger zu ermöglichen. Diese Maßnahme ist nicht nur auf Luxemburg beschränkt, sondern wird in vielen Ländern inzwischen angewandt. Sie wird sogar von den internationalen Steuergremien der Bildungssysteme mit Nachdruck empfohlen. Es bleibt nicht bei einer Notlösung, sondern soll in Zukunft einer der Pfeiler der Rekrutierung von Lehrerinnen und Lehrer darstellen.

Das läuft darauf hinaus mittelfristig den Beruf des Lehrers zu entwerten und entspricht der Logik der aktuellen Bildungspolitik, die den Lehrer auf einen reinen Befehlsempfänger reduzieren möchte, der sich ohne große eigene Initiativmöglichkeiten darauf beschränkt (Schul)dienst nach Vorschrift zu verrichten.

Sollte es dazu kommen und erste Anzeichen deuten sogar schon auf eine gewisse Resignation der Lehrkräfte hin, wäre es verheerend für unser Schulsystem.