Satire:Das Ende der bildungspolitisch verordneten Corona-Immunität.

14.07.2020

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Das Ende der bildungspolitisch verordneten Corona-Immunität.

 

Mantra-ähnlich wiederholte der Bildungsminister in den letzten Wochen und Monaten, dass keine Ansteckungsgefahr durch den Covid19-Virus in den Schulen herrsche. Wenn also Schüler und Schülerinnen sich an ihrer Schule nicht infizieren können, gilt dies folglich ebenso für Lehrer und Lehrerinnen.

Auf Basis dieser Argumentation wurden die Schüler die letzten Schulwochen vor den Sommerferien wieder beisammen, Schulter an Schulter mit all ihren Klassenkameraden, unterrichtet. Die Maskenpflicht, für Vorschulkinder von vorne herein als „überflüssig“ eingestuft, wurden auch auf den Spielplätzen als entbehrlich angesehen. In den Klassenzimmern, später auch im Schulhof, gilt das ansonsten überall verpflichtende Tragen eines wie auch immer gearteten Nasen-Mund-Schutzes, gerne auch eines „Unsere-bereits-vorhandenen-multifunktionalen-Schlauchtücher-verhindern-wissenschaftlich-nicht,-dass-Sie-sich-mit-dem-Virus-infizieren-oder-an-eine-andere-Person-weitergeben“-Buffs[1] nicht. Lehrern, Schülern und deren Eltern wird so die Gelegenheit geboten, über Bedeutung und Auslegung der Begriffe „facultatif“ sowie „recommandé“ gemeinsam zu diskutieren, gerne im direkten Austausch. Lehrpersonen, die zum Schulschluss Elterngespräche als Videokonferenz durchführen wollten, wurde ein Formular aufgebrummt, in welchem die Eltern die korrekte Ausführung der Evaluationsgespräche bestätigen mussten. Wünscht sich das Bildungsministerium doch zum Jahresende für die Zeugnisausgabe tatsächlich in den Schulen stattfindende Elterngespräche. Alles kein Problem, da sich bekanntlich niemand in den Schulen mit dem Virus anstecken kann.

Zwei Tage vor Beginn der den Sommerferien erfolgt nun erstmalig eine Diskursänderung in Form einer klaren Warnung an alle Lehrer:

Das Bildungsministerium rät ab jetzt von Plenarsitzungen ab. Diese sollen nun doch lieber über Videokonferenzen abgehalten werden.

 Und leisteten die Lehrer und Lehrerinnen über Wochen dem möglichen viralen Eindringling Widerstand wie einst die Bürger eines kleinen gallischen Dorfes den Römern, so scheinen sie nicht länger unverwundbar, haben sie erst die Schutzmauern ihrer Schulen hinter sich gelassen.

Auch mit Blick auf die Gestaltung ihrer Freizeit, folgt noch schnell ein Kassandraruf:

Von traditionellen Jahresabschluss-Essen wird nun tunlichst abgeraten.

Dieser Paradigmenwechsel sorgt für viel Aufregung unter den Lehrern! Zum einen wird die Mitteilung nicht wie gewohnt über den nationalen Kommunikationskanal übermittelt (Kann man überhaupt etwas glauben, wenn es nicht „offiziell“ über RTL vermittelt wird?). Das Ministerium hat die Nachricht wiederum ausschließlich an die Präsidenten der Schulkomitees gesendet, welche - trotz vielzähliger Überstunden zur Vervollständigung der mittlerweile vierten (und hoffentlich letzten) Schulorganisation im Laufe eines einzigen Schuljahres - immer noch die Stellung halten.

Zum anderen rätselt man in den Schulen über die inhaltliche Botschaft: Das Abstimmen der Kernkompetenzen, das Aufstellen der aktuellen und neuen Schulorganisation, das Verteilen der Schüler in die neuen Klassen, die Übergänge in die folgenden Equipes pédagogiques, das Verfassen von PPAA oder Stundenplänen – all dies erforderte, dass LehrerInnen an zahlreichen Meetings und sonstigen Versammlungen teilnehmen mussten. Bis dato alles kein Problem, da bekanntlich niemand sich in den Schulen mit dem Virus anstecken kann.

Der Beginn der Sommerferien scheint jedoch mit dem Ende der bislang vom Bildungsminister verordneten Corona-Immunität einherzugehen. In der Tat scheint diese am Nachmittag des 15ten Juli zu verfallen, womit sich die Sorge des Bildungsministeriums erklären würde, mag man sich doch nicht vorstellen, dass all dies nur Teil der Mär der bunten B(l)uffs war .

Ohne den Schutz der ministeriell verordneten Immunisierung, nicht umgeben von einer großen Anzahl sprechender und lachender Kinder, demnach ohne das schulische Überdach, droht Lehrpersonen urplötzlich scheinbar doch eine Covid-Infektion. Überdies wirkt es, als wären die Folgen einer Erkrankung einer Lehrperson mit Beginn der Sommerferien um ein Vielfaches schlimmer als im Laufe des Schuljahres – und dies

nicht nur für den Lehrer selbst, sondern für die Luxemburger Bildungslandschaft, die gesamte Luxemburger Gesellschaft:

- Mögliche Langzeitfolgen von Covid-19 könnten dazu führen, dass die Alibi-Nachhilfe-Stunden nicht mehr geleistet werden könnten.

- Quarantäne-bedingter Ausfall müsste möglicherweise durch die sogenannten „Experten“ (schul- und schülerferne Bildungsbeamte) ausgeglichen werden.

- Die krankheitsbedingt offenen Leerstellen (!) könnten nicht zu genüge mit Quereinsteigern besetzt werden.

- Die Dienstfähigkeit der Lehrpersonen für den Schulbeginn wäre nicht garantiert.

-  Lehrer müssten ihre Urlaube absagen. Ein weiterer Rückschlag für die bereits am Boden liegende Reiseindustrie.

- Zumindest der chronische Ersatzpersonalmangel wäre noch VOR Schulbeginn zuverlässig gesichert.

Liebe Lehrerinnen und Lehrer, 

In den letzten Wochen zeigte das Bildungsministerium zuhauf Wertschätzung für euch und euren Beruf indem medienwirksam wohlverdiente Ferien gewünscht, gleichzeitig aber auch noch für kleine Herausforderungen gesorgt wurde – sei es durch das Organisieren der Alibi-Nachhilfen, inhaltslose Evaluationsgespräche „en présentiel“, Einhalten von starren Prozeduren oder durch die Versorgung mit Desinfektionsmitteln, mit ausschließlich in Chinesisch verfassten Sicherheits- und Inhaltsangaben.

Um die Einsatzfähigkeit der Lehrer zu gewährleisten, bietet das Bildungsministerium eine neue Ferienformel an, ein zweimonatiges, individuell zugeschnittenes Wellnessprogramm, exklusiv Lehrerinnen und Lehrer vorbehalten: Kontemplative Meditation, isoliert im eigenen Klassenzimmer.

Im Namen der Solidarität, zum Wohle der Allgemeinheit:

Eure Isolation, unser aller Sommer.

Überdies kann so wirksam vermieden werden, dass sich Lehrer in ihrem häuslichen Umfeld, ohne Bodenmarkierungen und Verkehrshüte verlaufen, bzw. ohne entsprechende Merkblätter vergessen, wie sie sich die Hände zu waschen haben, resp. wie nahe sie ihre Familien noch an sich heranlassen dürfen.

Das Luxemburger Bildungsministerium:

„Mir“ soen Iech, wéi et ze goen huet. Well selwer kënnt der et jo net.

 

Comité SEW/OGBL


[1] https://www.buff.com/at_de/informationen-covid-19