Der politisch vorangetriebene Niedergang der öffentlichen Schule

08.11.2017

Der politisch vorangetriebene Niedergang der öffentlichen Schule


Nach vier Jahren Regierungszeit ist die „Haupterrungenschaft“ des Bildungsministeriums vor allem der voranschreitende Niedergang der öffentlichen Schule. Die von Minister Meisch vorangetriebene Internationalisierung der Schullandschaft bringt nicht nur eine gefährliche Zersplitterung der Gesellschaft mit sich, sondern bedeutet auch den schleichenden Einflussverlust der öffentlichen Hand auf das nationale Bildungsangebot.

Bildung als Ware am Beispiel des Bildungsunternehmens Pearson


Während die geplanten und existierenden Europaschulen ein europäisches Programm verfolgen, gibt es auch Schulen, die ihre Schulprogramme und Examen bei internationalen Firmen einkaufen und teuer für diese standardisierten Tests bezahlen. Die Konsequenz hiervon ist eine schleichende Privatisierung der öffentlichen Schule.

vera_dockendorf.jpgEin Beispiel hierfür ist die International School Michel Lucius in Luxemburg Stadt. Die Schule erkauft sich ihre Lehrerlaubnis, ihre Examina und Schulprogramme größtenteils bei der Firma Pearson, dem weltweit größten Bildungsunternehmen mit einem Umsatz von 5,341 Milliarden Euro im letzten Jahr. Das Pearson-Unternehmen steht aktuell vor allem wegen der sogenannten „low-fee schools“ in Ländern der Dritten Welt in Kritik. Diese mit Kosten verbundenen „low-fee“ Schulen versperren tausenden von Kindern aus armen Familien, vor allem Mädchen, den Weg zur Bildung. Den größten Absatz hat die Firma Pearson jedoch in Nordamerika, wo die Firma 60% ihrer Umsätze macht. Auch dort steht das Unternehmen in der Kritik, durch standardisierte Tests die Allgemeinbildung der Schüler zu vernachlässigen und sie in ihrer freien Entwicklung zu hemmen. In Großbritannien, der zweitgrößte Markt der Firma Pearson, wird die durch Pearson zustande kommende fehlende Allgemeinbildung sowie der durch standardisierte Tests entstandene Druck auf die Schüler ebenfalls stark kritisiert.

Der Einflussverlust der öffentlichen Hand auf das nationale Bildungsangebot und die Konsequenzen hiervon

- Internationale Schulen als Fluchtmöglichkeit vor den Ansprüchen des Luxemburger Sprachenunterrichts

Die Lehrprogramme der Europaschule in Differdange, der International School Michel Lucius sowie der geplanten internationalen Schulen in Mondorf, Clervaux und Junglinster stehen nicht mehr unter dem Einfluss des Bildungsministeriums. Was vonMinister Meisch als moderne und fortschrittliche Idee verkauft wird, ist in Wahrheit eine Abgabe derVerantwortung des Bildungsministeriums an externeUnternehmen oder Gremien. So wird der Vorteil der Luxemburger Mehrsprachigkeit durch die massive Gründung solcher Schulen immer weiter aufgeweicht.Themen der mündlichen Französischprüfungdes Cambridge IGCSE (International General Certificate of Secondary Education), welches dem Niveau einer 3ème oder 11. Klasse entsprechen sollte, sind zum Beispiel „Mes vacances“ oder „Hobbies et passes-temps“. Im Vergleich dazu liest man im luxemburgischen Französischunterricht auf 3ème laut Rahmenlehrplan beispielsweise Albert Camus‘ „L’Étranger“ oder Voltaires „Candide“ und auf einer 11ème Maupassants „Contes et nouvelles“. Wie sollen solche Schüler sich auf dem Luxemburger Arbeitsmarkt, dessen Hauptsprache noch immer Französisch ist, zurechtfinden?

Durch die massive Gründung von internationalen Schulen ermöglicht Minister Meisch den Schülern mit Schwierigkeiten in einer Sprache vor allem die Flucht vor den Herausforderungen des Luxemburger Sprachenunterrichts. Dies veranschaulicht auch der hohe Prozentsatz von Schülern, die die gesamte Grundschule oder den Großteil ihrer Grundschulzeit an Luxemburger Grundschulen absolviert haben. In der International School Michel Lucius liegt der Prozentsatz der Schüler, die mindestens ein Jahr im Luxemburger Schulsystem absolviert haben, bei 40 Prozent. Anstatt dass man diesen Schülern die Möglichkeit bietet, an ihren Schwächen zu arbeiten, bietet man ihnen nun die Möglichkeit, sprachliche Schwierigkeiten in der einen oder anderen Landessprache zu verstecken – mit teilweise verheerenden Folgen für die spätere berufliche Zukunft in unserem mehrsprachigen Land.

- Statt Integration und Inklusion eine Zersplitterung der Gesellschaft

Unsere öffentliche Schule war bislang ein Ort der Inklusion und Integration. Hier kamen Kinder mit unterschiedlichen Muttersprachen aus allen Gesellschaftsschichten zusammen, lernten mit-und voneinander.

Vor allem durch die Gründung von englisch-, französisch- oder deutschsprachigen Grundschulen geht der wichtigste Auftrag der öffentlichen Schule, die Integration, verloren. Wie kann ein Zusammenhalt in der Gesellschaft entstehen, wenn es keinen gemeinsamen öffentlichen Raum mehr gibt, wo sich die verschiedenen Mitglieder dieser Gesellschaft begegnen?

Trauriges Fazit:


In nur vier Jahren Amtszeit hat Minister Meischs Bildungsministerium es mit seiner neoliberalen Bildungspolitik geschafft, die öffentliche Schule stark zu schwächen. Das Bildungswesen wird wie eine Firma verwaltet: Bereiche, an deren Bewältigung sich das Bildungsministerium nicht heranwagt, werden ausgelagert und privaten Firmen oder externen Gremien überlassen. Die sogenannte Diversifizierung der Schullandschaft ist in Wahrheit eine Zersplitterung der Schullandschaft und somit auch der Gesellschaft: Homogene statt heterogene Schulen sind Minister Meischs falsche Antwort auf die Herausforderungen vor denen das Luxemburger Bildungswesen steht.

Es gilt nun, sich diesem Trend entschlossen entgegenzustellen und für die integrative öffentliche Schule in unserem Land zu kämpfen!