Diète syndicale 2006

28.11.2006

Bildungspolitik


Jean-Claude Reding plädiert dafür Prioritäten anders zu setzen

Bildungspolitik: Stärker in Betreuung investieren



Alex Fohl
tageblatt 2/3.12.2006


Der Staatshaushalt sieht im kommenden Jahr für das Unterrichtsministerium eine Steigerung der Ausgaben von 4,5 Prozent vor. Wie man die Schulmittel einsetzt, ist eine Frage der Prioritäten. OGB-L-Präsident Jean-Claude Reding hat da seine eigenen Ideen.

Während die Zuwendungen für die Lyzeen 2007 voraussichtlich um 8,4 Prozent sinken (siehe Tageblatt vom 1. Dezember), verzeichnet das Unterrichtsministerium auf der Ausgabenseite einen Zuwachs von 4,5 Prozent. Die Steigerungsrate liegt damit um 0,9 Prozent niedriger als jene des Etats für den Gesamtstaat.

Bei den Mehrausgaben des Unterrichtsministeriums fällt das Gehältervolumen überproportional ins Gewicht. Im Bereich der Früherziehung sind sind hierfür 40,5 Proent mehr veranschlagt. In der Vor- und Primärschule steigt die Gehältermasse um 5 nd im Sekundarunterricht um 6,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr an.

Ob die geplanten Mehrausgaben den Schülern unmittelbar zugute kommen und für mehr Chancengleichheit im Luxemburger Schulsystem sorgen, bleibt abzuwarten. In diesem Zusammenhang macht sich OGB-L-Präsident Jean-Claude Reding Gedanken über die bildungspolitischen Prioritäten.

Auf dem Syndikatstag es SEW (Syndikat für Erziehung und Wissenschaft) hatte Reding Anfang der Woche u.a. klare Zielsetzungen und mehr Mittel für die Primärschule gefordert. Luxemburg gebe ein Drittel weniger für Grundschüler als für Sekundarschüler aus. In Finnland beispielsweise gelte der umgekehrte Ansatz.

Reding zeigt sich u.a. besorgt, über Aussagen von Lehrern, die auf allen Unterrichtsstufen von zunehmenden Lernschwierigkeiten bei Schülern ausgingen. ^Die Lehrer sind ja nicht schlagartig alle schlechter geworden. Hier gibt es ein Problem mit der Art und Weise, wie man arbeitet, mit dem schulischen Umfeld. Wenn wir in der Primärschule etwas bewirken wollen, reichen zwei Pilotprojekte für Ganztagsschulen nicht aus. Wir müssen Ganztagsschulen mit einer viel größeren Geschwindigkeit verallgemeinern. Daneben brauchen wir schnell effiziente Betreuungsstrukturen^, so Reding.

Vereine einbinden



Es reiche auch nicht aus, Eltern mit einzubinden. Viele Eltern könnten ihren Kindern nicht helfen, weil sie die Unterrichtssprache Deutsch nicht beherrschten. Folglich sei es wichtig, Hilfe an anderer Stelle anzubieten. “Wenn wir wirklich investieren wollen, sollten wir es hier tun und die notwendigen Strukturen schaffen, um Kinder sinnvoll betreuen zu wollen“, fordert Reding, der in diesem Zusammenhang auch für die stärkere Einbindung lokaler Vereine plädiert.

Was in verschiedenen Vierteln zwischen Kindertagesstätten und Vereinen funktioniere, wäre auch mit Schulen möglich. Damit könnte man sowohl Eltern als auch Kindern helfen und gleichzeitig eine Reihe von sozialen Kompetenzen fördern.

„Wenn wir mehr Chancengleichheit wollen, müssen wir genau jenen Eltern helfen, die niedrigere Einkommen und Schwierigkeiten haben, ihre Kinder anzumelden, damit sie mitmachen können.“

“Umständlich“



Es ist einfacher und billiger, Kinder vor den Fernseher abzuschieben. Um dies zu verhindern, müssen wir in Begleitstrukturen investieren und außerschulische Aktivitäten bezuschussen. Auf dieser Ebene agieren wir umständlich und setzen die Prioritäten nicht richtig“, konstatiert OGB-L-Präsident Jean-Claude Reding dem Tageblatt gegenüber.

Umständlich und zaghaft agiert die Politik auch bei der Anpassung der Gehaltsstrukturen im öffentlichen Dienst. Lehrer und Erzieher sind mit ihren Lohnbedingungen seit langem unzufrieden. Daraus macht das SEW kein Hehl. Obwohl die Ausbildung der Grundschullehrer inzwischen auf vier Jahre ausgebaut wurde, tut man sich mit der Anerkennung dieser Tatsache im zuständigen Ministerium nach wie vor schwer.

Auch der Studentendachverband ACEL bemängelt die fehlende Umsetzung des Bologna-Prozesses, was die Anerkennung der neuen Bachelor- und Master-Diplome im öffentlichen Dienst angeht.

Eine interministerielle Arbeitsgruppe befasst sich seit geraumer Zeit mit dieser dornigen Frage. Deren Schlussfolgerungen sollen dem Ministerrat im Januar vorgelegt werden, so Pierre Neyens, Regierungsrat im Ministerium für öffentlichen Dienst. Ob damit bereits der Weg für eine gerechtere Gehaltsstruktur im öffentlichen Dienst gebahnt sein wird, bleibt in Ziten der Budgetsanierung fraglich.




Schulfinanzierung: Kosten pro Schüler



Vor- und Primärschüler kosten am wenigsten



2003 hat das Unterrichtsministerium eine Studie über Kosten und Finanzierung des Luxemburger Schulsystems vorgelegt. Den Löwenanteil des nationalen Schulbudgets bestreitet das Unterrichtsministerium mit knapp 56 Prozent, gefolgt von den Kommunen (26,8%) und er Verwaltung der öffentlichen Bauten (8%). An der Finanzierung beteiligt sind auch andere Ressorts: Familie, Gesundheit, Öffentlicher Dienst, Transport sowie das Innenministerium. Legt man die Kosten auf die Schüler der verschiedenen Unterrichtstypen um, so ergibt sich für 2003 folgendes Bild: ein Primärschüler kostet durchschnittlich 10.851 Euro pro Jahr; ein Gymnasialschüler 15.758 Euro und ein Schüler im technischen Sekundarunterricht 16.760 Euro. Bei der Kostenberechnung fallen die Lehrergehälter mit ca. 60 Prozent am meisten ins Gewicht. Am höchsten sind die Aufwendungen für Oberstufenschüler. -das gilt im besonderen Maße für Schüler der Berufsausbildung mit 22.000 bis 23.000 Euro pro Schuljahr. Für angehende Techniker werden im letzten Ausbildungsjahr 19.733 Euro veranschlagt, während Abiturienten mit durchschnittlich 19.021 pro Jahr zu Buche schlagen. Legt man den gesamten Bildungsweg eines angehenden Technikers zugrunde, so belaufen sich die theoretischen Gesamtkosten für das Techniker-Diplom auf 221.415 Euro. Etwas billiger wird die fachgebundene Hochschulreife mit 215.485 Euro. Das Abitur wird mit einem Gesamtkostenvolumen von 209.333 Euro noch niedriger eingeschätzt.
a.f.




Le SEW/OGB-L fustige Mady Delvaux



quotidien 29/11/2006

La ministre de l'Education nationale a été montrée du doigt par les syndicalistes du SEW/OGB-L, hier. Mady Delvaux-Stehres est la cible de toutes leurs doléances.

La diète syndicale du SEW/OGB-L (syndicat Education et Sciences) a donné lieu à une résolution très critique à l'égard de la ministre de l'Education nationale et plus généralement du gouvernement actuellement en place.

En premier lieu, le syndicat s'est élevé hier soir contre la faible augmentation des crédits alloués à l'école publique (4,5%) pa rapport au privé (13%). Le SEW/OGB-L a également pointé du doigt la baisse des crédits de fonctionnement des lycées et lycées techniques de 8,4% dans le budget 2007 par rapport à l'année précédente.

La question de la redéfinition de la tâche des enseignants était aussi bien évidemment au coeur des débats. Sous le slogan ^les enseignants font un effort, où est l'effort du gouvernement?^, le syndicat rappelle que l'éducation secondaire manque aujourd'hui cruellement d'enseignants c'est d'abord à cause du ^recrutement insuffisant d'enseignants qualifiés par les gouvernements précédents, dont le Premier ministre et la ministre de l'Education nationale actuels faisaient partie.^

La réforme du primaire rejetée à bloc

Si les ensignants ont finalement accepté de travailler plus sans hausse de salaire, le gouvernement ferait bien d'investir réellement dans l'école publique en y mettant des moyens suffisants pour recruter plus de personnel, estime encore le SEW/OGB-L.

La diète syndicale a aussi estimé hier que l'avant-projet de loi concernant le personnel de l'enseignement primaire est à revoir de fond en comble. En effet, le syndicat s'est dit consterné hier soir que l'avant-projet de loi prévoie le classement des instituteurs dans la carrière moyenne de l'enseignement et les éducateurs gradués dans la carrière moyenne de l'administration.

^Alors qu'un bac+3 a toujours donné accès à la carrière supérieure, seuls les instituteurs et les éducateurs gradués devraient rester cloîtrés dans la carrière moyenne^ résume la résolution. Une véritable injustice pour le syndicat qui rappelle qu'il faut uatre ans d^études supérieures pour prétendre devenir instituteur.




Vollversammlung des SEW / OGB-L in der Victor Hugo Halle



Bürokratie abbauen und Demokratie aufbauen^


Journal 29/11/2006

Die Neudefinierung der Aufgabenbereiche für Sekundarschullehrer hatte in den letzten Wochen für heftige Diskussionen gesorgt, bis sich dann schlußendlich, nach neun Verhandlungsrunden, die Vertreter der Regierung mit der Intersyndicale der Lehrergewerkschaften auf einen Kompromiss einigen konnten.

Der SEW ^Syndikat Erzéiung a Wëssenschaft^ des OGB-L, war eine der Gewerkschaften, die sich energisch für die Interessen ihrer Mitglieder in dieser Streitdebatte eingesetzt hatten. Die Neudefinierung des Lehrauftrags war aber nur eines der Themen, die gestern bei der Vollversammlung des Syndikats auf der Tagesordnung standen.

Nchdem die Präsidentin des SEW, Monique Adam, die -anwesenden, unter denen sich auch die LSAP-Abgeordneten Claudia Dall'Agnol und Fernand Diderich befanden, begrüßt hatte, brachte sie ohne Umschweife ihren Unmut über den desolaten Zustand des Luxemburger Bildungssystemsvzum Ausdruck. Vor zwei Jahrenhabe man sich noch über den Amtsantritt von Unterrichtsministerin Mady Delvaux-Stehres gefreut, doch heute stelle man leider fest, dass die damals angekündigten Reformen weder im Sinne der Schüler noch der Lehrer umgesetzt wurden, so Adam. Es schiene so, als wolle man die Schüler so schnell wie möglich durch das System schleusen, daran ändere auch die Verlängerung der Schulpflicht nichts. Die Präsidentin wies darauf hin, dass viele Lehrer unter einem Burn-Out Syndrom litten und frustriert seien, da sie das Gefühl hätten, den Schülern nicht mehr wirklich weiterhelfen zu können. Anstatt mehr Lehrer einzustellen, zwinge man das vorhandene Personal dazu, mehr zu arbeiten. Dadurch könne man sich schlechter auf die Schulstunden vorbereiten und die Qualität leide automatisch. Monique Adam bezeichnet diese Strategie des Unterrichtsministeriums als ^Austeritätspolitik^, die in keinem Zusammenhang mehr zu den einstmals gegebenen politischen Versprechen stünde.

Jean-Claude Reding, Präsident des OGB-L, konnte ebenfalls der momentanen Entwicklung im Luxemburger Bildungssystem icht viel Guter abgewinnen. Die Schule könne zwar die Ursachen der Arbeitslosigkeit und der sozialen Probleme nicht beseitigen, jedoch könne sie ihnen durch eine gute Ausbildung und Orientierung der Schüler vorbeugen. Dafür bedürfe es jedoch klarer Objektive und Reformen, so Reding. In Luxmburg brauche man dringend mehr Arbeitskräfte it einem höchstmaß an Potential, sowohl bei geisteswissenschaftlichen Berufen als auch beim Handwerk.Doch habe man bis jetzt einfach nicht genug in Bildung investiert. Ein Beispiel dafür sei schon die Ausbildung in Grundschullehrer, so der OGB-L-Präsident. Nur in Luxemburg und in einigen Teilen Belgiens sei es noch möglich, auf Basis eines ^bachelor professionnel^ Grundschullehrer zu werden. Hier bestehe dringender Handlungsbedarf.

Der OGBL ist der Meinung, dass das Problem in einem Übermaß an Bürokratie liege. Man sei in den Ministerien permanent damit beschäftigt, neue Hierarchien auzubauen, ohne die Ideen der betroffenen Lehrer, demokratisch und aktiv in die Entscheidungsprozesse mit einfließen zu lassen. Deshalb sage man ganz klar, dass man zwar für Reformen sei, aber nur wenn man den davon Betroffenen auch Mitspracherecht gewähre. Der SEW stellete im Verlauf der Tagung dann auch ein Beschlussdokument vor, in dem die wichtigsten Kritokpunkte aufgeführt wurden. Das Credo das man hieraus entnehmen konnte, war jenes, dass Reformen nur dann erfolgreich funktionieren könnten, wenn man aus bisherigen Erfahrungen lerne um darauf aufzubauen und zwar innerhalb einer strikten Kooperation mit dem Lehrkörper.

>lw




SEW-Syndikatstag: Lehrergewerkschaft mit Schulreformen unzufrieden



Regierung soll mehr in Bildung investieren



Auf dem gestrigen Syndikatstag des SEW wurde mit Kritik an der Reformpolitik von Unterrichtsministerin Mady Delvaux-Stehres gespart. Die Reformen seien nicht immer im Sinn der Schüler und schon gar nicht im Sinne der Lehrer, so SEW-Präsidentin Monique Adam, die hinter den geplanten Bildungsreformen eine allgemeine Sparpolitik der Regierung vermutet.

tageblatt 29/11/2006
Alex Fohl


Unterichtsministerin Mady Delvaux-Stehres hat die hohen Erwartungen, die das Syndikat für Erziehung und Wissenschaft (SEW) vor zwei Jahren in sie gesetzt hatte, bislang nicht erfüllt. Stattdessen machen sich Ernüchterung und Groll bereit.

Probleme und Dossiers mit Handlungsbedarf gebe es genug, so die Präsidentin des SEW während des gestrigen Syndikattags. Als Hauptmotor hinter den angestrebten Schulreformen sieht Monique Adam eine allgemeine Sparpolitik. Deren Leitmotiv sei, Schüler so schnell wie möglich durch das Schulsystem zu schleusen.

Viele Lehrer machten sich Sorgen, wie es weitergehen solle. Angesichts wachsender Anforderungen sähen sich immer weniger in der Lage, Schüler angemessen an das Leben und ihr Diplom vorzubereiten, so Adam, die in diesem Zusammenhang von einem gewissen Burn-out und dem Gefühl spricht, Schüler nicht wirklich weiterhelfen zu können. Während wichtige Gelder wie Gadgets wie das neue “Carnet de liaison“ vergeudet würden, fehlten die Ressourcen für Stützkurse.

In seiner Tagesresolution hält das SEW u.a. fest, dass das Schulbudget im Verhältnis zum Staatshaushalt weniger schnell wachse und dass Kredite für Sekundarschulen im Vergleich zu 2006 um 8,4 Prozent zurückgingen.

Auf Kosten der Lehrer sparen



Es würde auf Kosten der Lehrer gespart, die für das gleiche Gehalt mehr arbeiten müssten. Diese Rechnung gehe nicht auf, do Adam. Die Spar- und Austeritätspolitik der Regierung stehe in krassem Widerspruch zu den Sonntagsreden, in denen Bildung zu den obersten Prioritäten zähle.

OGB-L-Präsident Jean-Claude Reding warnte seinerseits davor, der Schule die Lösung aller Probleme zuzumuten. Sie könne Probleme nur in Zusammenarbeit mit anderen Politiken lösen helfen und Schüler auf die Berufswelt vorbereiten. Sie müsse für mehr Chancengleichheit sorgen und den Schülern die sozialen und fachlichen Kompetenzen vermitteln, die sie bräuchten, um ihre Rolle in der Gesellschaft finden zu können, so Reding, der klare Zielvorgaben für die Schule fordert.

Zuerst müsse man wissen, wo Reformen hinführen sollten. „Es ist wichtig zu sagen, dass wir morgen mehr Menschen mit einer maximalen Qualifikation in allen Bereichen brauchen. Das gilt auch für das Handwerk. Es reicht nicht aus, Diplome zu verteilen. Hinter den Diplomen muss eine hochwertige Ausbildung stecken, “ so Reding. Das Erreichen dieses Zieles setze große Investitionen in die Ausbildung voraus. Chancengleichheit sei mehr als nur ein Slogan, so der Präsident der größten Luxemburger Gewerkschaft, der mehr Mittel für die Primärschule fordert.

Man müsse die richtigen Schlussfolgerungen ziehen und bei der Primärschule ansetzen. Dabei gibt Luxemburg laut Reding ein Drittel weniger für Grundschüler als für Sekundarschüler aus. „Wir müssen mehr investieren. Dem Land geht es nicht so schlecht, dass es dies nicht tun könnte. Das ist eine Frage der Prioritäten.“ Das Gleiche gilt Reding zufolge auch für die Lehrerausbildung. Luxemburg leiste sich den Luxus, Lehrer mit der niedrigsten Ausbildung im wichtigsten Teil unseres Schulsystems einzusetzen.

„Reformen im Bildungswesen sind notwendig. Sie brauchen die finanziellen und materiellen Mittel, um ihre klar formulierte Zielsetzung zu erreichen. Sie brauchen aber auch die Zustimmung der Menschen, die sie umsetzen sollen.“ Für Reding sind Anerkennung und Mitbestimmung hierfür maßgeblich.